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1974-1985

Die VÖEST-ALPINE AG bis zur Reform der ÖIAG

Anblasen des Hochofens A (1977)

Nach der Fusion der VÖEST mit der Oesterreichisch-Alpine Montangesellschaft werden zwischen 1974 und 1976 verschiedene andere Unternehmen zu neuen Gesellschaften zusammengelegt und – sofern dies nicht schon früher erfolgt ist – in die VÖEST-ALPINE AG eingegliedert. Besonders zu erwähnen sind hier die Unternehmen der verstaatlichten Edelstahlindustrie, zu der die Gebrüder Böhler & Co AG, die Schoeller-Bleckmann Stahlwerke AG und die Steirische Gußstahlwerke AG gehören, welche zur Vereinigten Edelstahlwerke AG (VEW) zusammengelegt werden. Die VEW ist das größte Tochterunternehmen des VÖEST-ALPINE-Konzerns.

Die Effekte der Fusion der VÖEST mit der Oesterreichisch-Alpine Montangesellschaft fallen zeitlich bereits mit der ersten Ölkrise und dem großen Trendbruch in der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Ab 1975 erreichen die Auswirkungen der internationalen Stahlkrise wie etwa ein allgemeiner Preisverfall auch Österreich. Die Situation in der Stahlindustrie ändert sich massiv, das Wachstum geht deutlich zurück. Dadurch wird in den Stahlsektoren der Industrieländer ein stark beschleunigter Strukturwandel eingeleitet. Das Management der VÖEST-ALPINE konzentriert sich auf den Ausbau des Industrieanlagenbaus und der Finalindustrie, um die Konjunkturabhängigkeit der Stahlindustrie abzumildern.

Mitte 1977 wird eine neue Organisationsform in Kraft gesetzt – die mehrdimensionale Geschäftsbereichsorganisation. Der Konzern wird in vier ergebnisverantwortliche Unternehmensbereiche (Hütte, Verarbeitung, Finalindustrie und Industrieanlagenbau) gegliedert. 1978 wird – im Zuge der Neuorganisation – der Industrieanlagenbau als eigener Vorstandsbereich etabliert. Außerdem erhält die VÖEST-ALPINE AG ein neues Firmenlogo und ändert ihren Namen geringfügig ab – aus dem Ö wird ein O.

Seit Ende der 1970er Jahre versucht das Unternehmen, in breitere Marktbereiche vorzudringen. 1980 wird eine umfassende Diversifikationsstrategie begonnen, in der man auf verarbeitungsintensive und hochwertige Produkte mit möglichst hoher Wertschöpfung, Innovationen im Verfahrensbereich, den Einstieg in den Hightechbereich und die Forcierung der Sparte Handel setzt.

Im Rahmen dieser Strategie werden 1982 die VOEST-ALPINE Medizintechnik GmbH, die VOEST-ALPINE Glas GmbH, die Austria Mikrosysteme International GmbH und die VOEST-ALPINE Energieservice GmbH als Tochter- und Beteiligungsgesellschaften des VOEST-ALPINE-Konzerns gegründet. Im Jahr darauf wird der neue Vorstandsbereich Elektronik und Automation geschaffen, in dem alle mit Elektronik zusammenhängenden Produktions- und Leistungsaktivitäten zusammengefasst sind.

Die VOEST-ALPINE AG beginnt ab 1979 in Zusammenarbeit mit der deutschen Korf Engineering GmbH, an der sie zu 49 Prozent beteiligt ist, das sogenannte COREX-Verfahren zu entwickeln, das eine kostengünstige und umweltschonende Erzeugung von Roheisen direkt aus nichtmetallurgischer Kohle und Eisenerz ermöglicht (Kohlereduktionsverfahren). 1983 wird die Korf Engineering GmbH zu 100 Prozent als Tochtergesellschaft übernommen.

In den Jahren 1975–85 werden u. a. folgende Anlagen in Betrieb genommen: das Kaltwalzwerk II, der Hochofen A mit einem Gestelldurchmesser von 10,5 Metern und einem maximalen Roheisenausstoß von 5.500 Tonnen pro Tag, der größte Plasma-Primärschmelzofen der Welt im Elektrostahlwerk in Linz, eine Knüppelstranggießanlage und eine Drahtstraße in Donawitz, das Ölfeldrohrwerk in Kindberg und das Präzisionsstahlrohrwerk in Krieglach. In Donawitz wird außerdem eine der modernsten Lehrwerkstätten in Österreich fertig gestellt.

Die lange schwelende Krise der verstaatlichten Industrie – die VOEST-ALPINE ist seit 1981 hoch defizitär und erhält deswegen mehrmals Kapitalzuschüsse vom Staat, womit aber eine verstärkte staatliche Kontrolle über die Verwendung der Zuschüsse verbunden ist – kulminiert schließlich 1985.

Die ständige und nachhaltige politische Einflussnahme, der Missbrauch des Unternehmens als staatliche Beschäftigungsreserve, die Änderungen der internationalen Rahmenbedingungen, die Aushöhlung einzelner Unternehmen, Misserfolge bei der Diversifikation, bei Auslandsprojekten und im Finalbereich (Stahlwerk Bayou im US-Bundesstaat Lousiana, Maschinenbau Liezen u. a.) sowie massive Verluste bei den Ölspekulationen der 1978 gegründeten VOEST-ALPINE-Handelstochter Intertrading führen 1985 zum Bankrott und zum Rücktritt des gesamten VOEST-ALPINE-Vorstandes. Der Mischkonzern mit mittlerweile 70.000 Beschäftigten wird zerschlagen. Das sogenannte VOEST-Debakel führt zu einer regelrechten Staatskrise und setzt einen tief greifenden Restrukturierungsprozess der österreichischen Industrie in Gang.