Verantwortung und Augenmaß – voestalpine und CO2-Zertifikate 4 Minuten Lesezeit
Umwelt

Verantwortung und Augenmaß – voestalpine und CO2-Zertifikate

Volkmar Held
Als freier Autor berichtet Volkmar Held für voestalpine über Themen, die bewegen. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Storys reichen von der Archäometallurgie bis zu Zukunftstechnologien.

Für voestalpine gehören Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit zu den Leitlinien des Handelns. Die Senkung der Kohlendioxid-Emissionen ist ein Kernstück technologischer wie umweltpolitischer Bemühungen des Konzerns. Lesen Sie, was der Handel mit „CO2-Zertifikaten“ zu tun hat.

Rund 20 Prozent der Forschungs- und Entwicklungsausgaben setzt voestalpine für ökologische Innovationen ein. Dazu zählen die Entwicklung CO2-neutraler Technologien zur Stahlherstellung, Prozessoptimierungen bestehender Verfahren und laufende Verbesserungen von Rohstoff- und Energieeffizienz ebenso wie Produktentwicklungen im Automobilleichtbau oder für Elektromobilität.

Die reinen Umweltaufwendungen umfassten bislang vor allem betriebliche Maßnahmen zur Luftreinhaltung und in den Bereichen Abfall und Wasser. Seit dem vergangenen Geschäftsjahr wird allerdings die Belastung durch den Zukauf von CO2-Zertifikaten deutlich sichtbar. Aufgrund des Preisanstiegs 2018/19 um 62 % auf über 21 EUR wendete voestalpine 69 Mio. EUR – und damit bereits 23 % – für Emissionshandelszertifikate auf, das sind bereits mehr als betriebliche Maßnahmen zur Senkung von Luftemissionen (22 %). Beim zwischenzeitlichen Preis von rund 25 EUR je Tonne CO2 liegt die jährliche Belastung bereits bei 100 Mio. EUR pro Jahr.
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Was ist das Ziel des EU-Emissionshandels?

Die EU sieht das Emissionshandelssystem (EU-EHS) als „Kernelement“ zur Senkung von Treibhausgasemissionen. Es soll dazu beitragen das für 2030 angepeilte Ziel der Reduktion von Treibhausgasen um derzeit 40 % gegenüber 1990 (nach aktuellen Plänen des „Green Deal“ der neuen EU-Kommissionen aber sogar um bis zu 55 %) zu erreichen. Für dem Emissionshandel unterliegende Sektoren liegt die Vorgabe derzeit bei – 43 % gegenüber 2005.

Was ist das Emissionshandelssystem und wie funktioniert es?

Das Emissionshandelssystem gibt es seit 2005. Es umfasst derzeit 31 Staaten (bis zum „Brexit“ alle 28 EU-Länder sowie Island, Liechtenstein und Norwegen) und wird 2020 um die Schweiz erweitert.

Das System bepreist und begrenzt die Emissionen von mehr als 11.000 energieintensiven Anlagen primär von Stromerzeugern und verarbeitender Industrie sowie von innereuropäischen Luftfahrtunternehmen. Es deckt aktuell rund 45 % der in der EU entstehenden Treibhausgasemissionen ab, wobei zur Diskussion steht, den Emissionshandel künftig auch etwa um den Verkehrs- und Transportbereich zu erweitern.

1 Zertifikat deckt den Ausstoß von 1 t Kohlendioxid ab. Zertifikate werden an speziellen Börsen bzw. über den Kapitalmarkt gehandelt; ihr Preis unterliegt nicht allein dem Spiel von Angebot und Nachfrage, sondern wird daher auch spekulativ beeinflusst. Die Zahl der insgesamt ausgegebenen Rechte ist jedoch limitiert und wird bis 2030 schrittweise verringert.

Emissionsintensive Industrien, z. B. Stahlerzeuger, erhalten eine bestimmte Anzahl von kostenlosen Emissionsrechten („Gratis-Zertifikate“) zugeteilt. Dieser „Carbon-Leakage“-Schutz soll verhindern, dass bestimmte Branchen ihre Produktion in Länder mit geringeren Klimaschutzauflagen verlagern.
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voestalpine und der Zertifikathandel

Die Ausgabe der kostenlosen Zertifikate bemisst sich an spezifischen Benchmarks, etwa für Sinter und Roheisen. Allerdings sind diese Werte auch mit dem besten Stand der Technik nicht erreichbar. Nach Berechnungen der Wirtschaftsvereinigung Stahl liegen sie bei Roheisen um durchschnittlich um 10 % unter dem tatsächlich realistischen Wert. Das führt dazu, dass der theoretisch 100%-ige „Carbon-Leakage“-Schutz – wer den „Bestwert“ erreicht, soll keine Zertifikate zukaufen müssen – praktisch nicht funktioniert.

voestalpine beispielsweise hat in den vergangenen drei Jahrzehnten ihren spezifischen (d. h. auf die produzierte Rohstahlmenge bezogenen) CO2-Ausstoß um mehr als 20 % gesenkt; Dennoch muss der Konzern sowohl in der bis 2020 laufenden als auch in der nächsten Handelsperiode von 2021 bis 2030 rund ein Drittel der Zertifikate (d. h. für 4 bis 4,5 Mi. t CO2 pro Jahr) zukaufen. Ihr Preis stieg in den letzten zehn Jahren um mehr als 75 % auf derzeit gut 25 EUR an. Das bedeutet auf diesem Preisniveau für die kommende nationale Handelsperiode bis zu rund 45 Mio. t und Kosten von mehr als 1 Mrd. Euro.

Neben den direkten Kosten kommen noch indirekte über den Strompreis hinzu, indem Stromerzeuger den ihnen entstehenden Zertifikateaufwand an die Abnehmer weiterreichen. Eine Reihe von EU-Ländern plus Norwegen machen daher von einer entsprechenden EU-Richtlinie Gebrauch und gewähren energieintensiven Abnehmern eine „Strompreiskompensation“. In Österreich wird diese Möglichkeit bislang nicht genutzt, es gibt also eine innereuropäische Wettbewerbsverzerrung. Der voestalpine-Nachteil bei Elektrifizierung der bestehenden Hochofenroute über ein Hybrid-Stahlwerk mit Elektroöfen würde je nach CO2-Preis bei 30 Mio. bis mehr als 70 Mio. EUR pro Jahr liegen.
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Die Zertifikate werden durch Versteigerung auf Ebene der Mitgliedsstaaten in Umlauf gebracht. Die Versteigerungserlöse fließen somit direkt in die nationalen Budgets. 2018 wurden EU-weit mehr als 14 Mrd. EUR an Versteigerungserlösen erzielt, auf Österreich entfielen rund 208 Mio. EUR. Aus voestalpine-Sicht gibt es zwei zentrale Forderungen. Erstens: Die Finanzmittel für den Kauf von CO2-Zertifikaten fehlen den Unternehmen für Investitionen in Dekarbonisierung; daher sollte dieser Aufwandim Sinne einer zweckgebundenen Nutzung der Versteigerungserlöse für konkrete Schritte in eine CO2-neutrale Produktion direkt in die Unternehmen rückgeführt werden. Und zweitens: Die „Strompreiskompensation“ soll EU-weit einheitlich geregelt werden.

Innovative Alternativen bei voestalpine

H2FUTURE: Weltweit größte grüne Wasserstoffpilotanlage

H2FUTURE: Die derzeit weltgrößte Pilotanlage zur CO2-freien Herstellung von grünem Wasserstoff in der Stahlindustrie.

Da die weitere Absenkung der CO2-Emisisonen zur Stahlerzeugung auf herkömmlichen Routen objektiv begrenzt ist, forscht der Technologiekonzern voestalpine an neuen Verfahren und plant über Zwischenschritte eine langfristige Verringerung der CO2-Emissionen bis 2050 um mehr als 80 %. Mehr zu den wesentlichen Säulen der Dekarbonisierungsstrategie lesen sie hier im voestalpine-Blog.

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