Ist Kernfusion machbar?

Genau dieser Frage widmet sich die voestalpine Foundry Group gemeinsam mit dem KIT (Karlsruher Institut für Technologie) – in Form einer Machbarkeitsstudie inklusive gießtechnischem Gesamtkonzept, Simulation sowie Werkstoffauswahl.


Kernspaltung vs Kernfusion

Bei der Kernspaltung wird ein schweres Element wie angereichertes Uran durch den Beschuss mit langsamen Neutronen in mittelschwere Atome gespalten. Dies löst in Anwesenheit von weiterem spaltbaren Material und eines Moderators (Wasser oder Graphit) eine Kettenreaktion aus. Die dabei entstehende Wärme kann mittels Dampfturbinen zur Energiegewinnung genutzt werden. Zu den Nachteilen gehören die Lagerung von Atommüll, die begrenzte Verfügbarkeit von Uran und die potenziell katastrophalen Folgen eines Unfalls.

In Fusionskraftwerken hingegen werden Atomkerne fusioniert. Dafür werden Brennstoffe in einen luftleeren, torusförmigen Behälter geleitet und auf Temperaturen zwischen 100 und 150 Millionen Grad Kelvin erhitzt. Unter diesen Bedingungen werden Elektronen und Atomkerne zu Plasma. Durch das Aufeinandertreffen der schnellen Atomkerne findet die Fusion statt. Die entstehende Wärme wird durch die Reaktorwand abgeführt und kann ebenfalls mittels Dampfturbinen zur Stromerzeugung genutzt werden. Da Materialien diese hohen Temperaturen nicht aushalten können, wird das Plasma innerhalb eines Magnetfelds gehalten. Andernfalls würde es bei Kontakt mit der Reaktorwand stark abkühlen und den Fusionsprozess stoppen.

Vorteile der Kernfusion:

  • Ausreichend Rohstoffe (Deuterium aus Wasser, Tritium aus Lithium)
  • Es werden keine klimaschädlichen Gase freigesetzt (CO2, NOX, CH4, usw.)
  • Radioaktiver Abfall ist nach 100 Jahren wiederverwendbar oder recycelbar
  • Keine Gefahr eines Atomunfalls, da bei Unfällen die Fusion von selbst aufhört
  • Fusionskraftwerke sind Standort-, Wetter- und Zeitunabhängig im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien

Umsetzung

Die gegenwärtig vielversprechendsten Fusionsreaktoren sind die Tokamak-Reaktoren (russische Abkürzung für "toroidale Kammer in Magnetspulen") und die Stellarator-Reaktoren. Nach dem Tokamak-Prinzip soll im Jahr 2051 der EUROfusion-DEMO-Reaktor in Betrieb genommen werden, um erstmals thermische Energie in elektrische Energie umzuwandeln. Nach Planungen wird die im Plasma erzeugte Energie das 25-fache der zum Start benötigten Energie betragen.

 

Möglichkeiten für voestalpine

Für genau diesen DEMO-Reaktor, der als letzte Stufe vor der Marktreife gilt, wurde eine Machbarkeitsstudie mit dem KIT für das sogenannte Breeding Blanket durchgeführt – die Schlüsselkomponente eines Fusionskraftwerks zur Energie- und Brennstofferzeugung. Dabei sollen rund neun Tonnen schwere und sechs Meter lange Segmente der „Ersten Wand“ mithilfe von Stahlguss realisiert werden. Anforderungen an die Bauteile sind neben der speziellen Geometrie auch die Einsatztemperatur von bis zu 550 °C.

Gießtechnisches Gesamtkonzept und Werkstoffauswahl

Mithilfe von durchgeführten Simulationen konnte festgestellt werden, dass das „Niyama-Kriterium“ erfüllt ist und auftretende Lunker nur an den insgesamt sechs Speisern auftreten. Damit ist mit den getroffenen Maßnahmen die gießtechnische Versorgung sichergestellt und das Design somit gießtechnisch für die voestalpine Foundry Group umsetzbar.  

Zur Vermeidung von Einschlüssen und Poren durch Reoxidation bzw. Sandeinschlüsse durch Erosion wird die Form von unten mithilfe von 2 Pfannenschiebern gefüllt („steigender Guss“). Weiters werden Verzugsleisten (Versteifungen) aufgrund der dünnen Wandstärken direkt mitgegossen. Diese bleiben auch für die folgenden thermischen Prozesse am Gussteil und verhindern ein Verziehen des Bauteils. 

Es bietet sich die Werkstoffgruppe der martensitischen, hochwarmfesten 9-10%-Cr-Stähle an, für die die voestalpine Foundry Group die internationale Entwicklung der Stahlguss-Komponenten maßgeblich vorangetrieben hat.  Dies ermöglicht den zukünftigen Einsatz des niedrig aktivierenden 9%-Cr-Stahls EUROFER97.

Ob Kernfusion in der zukünftigen Energieversorgung eine Rolle spielen wird, bleibt noch ungewiss. Die voestalpine Foundry Group ist bereits jetzt gerüstet, um eine Versorgung mit Gussprodukten zu gewährleisten.

 

Weitere Informationen finden Sie auf der KIT-Homepage:
KIT - PL FUSION -Startseite 
KIT-INR Gruppen - Design und Analyse nuklearer Komponenten 

 

Quelle Bilder: Abbildung 1Abbildung 2